Sonntag, 29. August 2010

Bye bye Germany...

Nach fast einer Woche Eingewöhnungszeit komme ich endlich zum Schreiben.  
Seit dem emotional aufreibendem Abschied von meiner Mutter war die erste vertraute Stimme im Flieger auf dem „Musical Memories“-Channel  jene von Jeff Buckley in „Hallelujah“, welche die Kapazität meines Trommelfells brutaler denn je herausfordern sollte. Brutaler den je, weil mein Selbstschutzmechanismus es mir befohl, lieber Jeff Buckley als quälendes Kleinkindgeschrei (welches – wie zu oft –  in der  Reihe direkt vor mir seinen Ursprung fand) die Härchen meines Gehörs niedermähen zu lassen.

Die Vereinigung der Komponenten des langsamen Anrollens, der darauf folgenden Beschleunigung und des schließlichen Abhebens des Fliegers mit der penetranten Buckley-Beschallung meines Endhirns ließen mich in eine Art Reminiscence-Koma verfallen – besonders da ich währenddessen die letzten zwei Wochen in Europa nochmal revue passieren ließ. Also drehte ich noch ein bisschen auf, sodass das Balg/Biest vor mir für mein auditives Aufnahmevermögen komplett ausgeschaltet war, schwelgte in Erinnerungen und wartete auf die Klimax, also den erlösenden Tränenerguss.
It didn’t happen. Dafür machte ich den A.C. verantwortlich, der den Fluginsassen mit höchstens minus zehn Grad Celsius und einer Windstärke von mindestens 282 km/h in die Gesichter peitschte, ergo Ausdünstungen jeglicher Art, diverser Schleimhäute und Poren, zu verhindern wusste.
Eine gute halbe Stunde vor Landung fing das Flugzeug zu Rucken und zu Beben an, dass man hätte anfangen können sich von der Welt zu verabschieden. Schön. Hatte schon angenehmere Momente des Erwachens. Ich startete einen weiteren Versuch, eine Träne herauszuquetschen – vergebens. Würde ich nochmal weinen dürfen in diesem Leben? Vor meinem inneren Auge spielte sich kurz mein ebenso viel zu kurzes Leben ab
oder die letzten zwei Wochen – und dann ergriff mich der Gedanke, dass es  eine absolute Fehlkonstruktion sei, dass Internet und Handy da oben, über alldem, was man zurücklässt oder was einen erwarten soll, nicht funktionieren. 
Der Gedanke  gedieh. In einer kraftstoffbetriebenen Maschine, welche sich für mein Empfinden paradoxerweise in der Luft befindet, und dessen erfolgreiches Landen zu einem zu großen Maße in den Händen eines eventuell alkoholabhängigen Piloten liegt, sollte man zumindest die Möglichkeit haben, sich im Falle des sicherbevorstehenden Todes mit Freunden, Verwandten und gegebenenfalls Kindern und Haustieren in Verbindung zu setzen.  Funktionierende Telefone über den Sitzen wären um einiges sinnvoller als Sauerstoffmasken. Ist eh nicht mehr viel mit Atmen once you hit the ground würd ich sagen, aber das ist nur meine ganz persönliche Meinung.
Der Grund für diese abartigen, unvorstellbaren Turbulenzen und folglich die Quelle des den Flugingenieuren (oder Fluggesellschaften, was weiß denn ich) geltenden herabsetzenden und entwürdigenden Todesgedankens war der, dass  in Florida gerade Hurrican-Season war. SÜPÄR! 
Die Turbulenzen wurden nach ca. zehn Minuten (einer gefühlten Ewigkeit) weniger und ich bezüglich der Frage, ob ich in diesem Leben nochmal weinen dürfte, zuversichtlich.
Noch dreißig Minuten bevor ich meine Endstation Miami International Airport erreichen würde. Die Temperatur im Ankunftsort betrug zu diesem Zeitpunkt 33°C, verkündete der Pilot. Bei Abflug regnete es in Frankfurt aus Eimern – die kleinen Dinge im Leben, die einen ganz warm ums Herz werden lassen, dachte ich triumphierend. Aber mehr zu diesem Fehlschluss später.
Bei der Landung gab es noch einen kleinen panischen Aufschrei – diesmal aber meines Herzens (das Kind hatte zu meinem unfassbaren Glück vor ein paar Stunden Ruhe gegeben, wahrscheinlich war es müde vom stundenlangen Kreischen).
Dann war ich endlich angekommen. Nach  Reisepass- und Visumskontrolle, ein paar dreisten Fragen des Polizeibeamten (die nehmen sich echt alles raus wenn du auf sie angewiesen bist!) und weiteren acht Stunden Warterei am Flughafen, weil meine zukünftige Mitbewohnerin sich etwas verspätete, fuhren wir zu unserem neuen zu Hause und ich konnte endlich ins Schlafkoma fallen.  Und den Flug hatte ich immerhin auch überlebt. 
To be continued...

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