Mittwoch, 3. November 2010

Welcome to America.


 Es ist mal wieder Zeit einen Eintrag zu schreiben und ich habe auch den besten Anlass dazu. Seit fast einer Woche wohne ich jetzt in meinem neuen Apartment im 15. Stock in Hallandale Beach. Abgesehen von einer wahnsinns Aussicht und großem Pool stehen mir eine riesengroße Küche, ein riesengroßes Wohnzimmer und die Hälfte eines ebenso riesengroßen Zimmers zur freien Verfügung. Einer der Gründe, warum ich mich hier noch nicht so zu Hause fühlen kann wie in in good old Hollywood  bei Ches ist wohl der, dass ich es bisher aufgrund des Möbelmangels vorgezogen habe, bei Freunden zu schlafen die ein bequemes Sofa oder Bett haben, da ich mich hier - bis ich die Zeit und Lust aufbringen kann mich nach einer erschwinglichen und bequemen Matratze umzuschauen - mit einer Luftmatratze auf dem Boden zufrieden geben muss . Da die Chancen, „erschwinglich“ und „bequem“ unter einen Hut zu kriegen nach meiner Einschätzung nicht gerade gut stehen, prokrastiniere ich dieses Projekt mit hemmungslosem Eifer.
Prokrastination ist momentan eines meiner Lieblingsbeschäftigungen: In diesem Moment prokrastiniere ich eine längst überfällige Hausarbeit die ich in Heidelberg schon gestern hätte abgeben müssen und noch nicht einmal angefangen habe. Das Ergebnis der bislang eher "vorsichtigen" Suche nach Sekundärliteratur spielt in diesem spezifischen Prokrastinationsprozess eine entscheidende Rolle. Schön, dass man Hausarbeitsabgabetermine  meistens öfter als einmal prokrastinieren kann :)
Warum  aber vorgestern in meinem Kopf die Blog-Alarmglocken losgingen („BLOG-BLOG-BLOG-BLOG-BLOOOOOOG!“)  ist  um einiges spannender als mein Prokrastinationsproblem (bis jetzt habe ich den Höhepunkt dieses Eintrags auch ganz gut prokrastiniert, merkste!) :
Als ich am Samstag auf einer Prokrastinations/  Halloweenparty prokrastinierte ist etwas ganz Furchtbares passiert (im Spannendmachen bin ich fast so erfolgreich wie im effizient Hausarbeitschreiben). RATE MAL!!! Der Abend hat mich von Anfang an an einen schlechten Ami-horrorfilm erinnert (man kennt doch jene, die mit Halloweenparties anfangen).  Als ein paar Fremde oder Bekannte (war schwer zu sagen aufgrund einiger Kostüme), Ches, Mike und ich draußen standen und uns unterhielten, kamen aus der Wohnung unter uns zwei Männer, die uns fragten, ob wir die Musik leiser drehen könnten. Natürlich, sagte irgendjemand. Als die beiden Richtung Auto gingen, muss einer der beiden einen beleidigenden Kommentar aus unserer Party-Outsider-Gruppe vernommen haben (wir werden nie erfahren, was er gehört hatte oder geglaubt hatte zu hören, denn keiner von uns hat es mitbekommen) : Er kam mit verzogenem Gesicht die Treppe heraufgerannt, bäumte sich vor einem von uns auf und gab ihm fast bellend und in einer Mischung aus Black-Slang und Caló zu verstehen, dass er gefälligst ein Problem zu haben hat („You gotta Problem, motherfucker? What’s yo‘problem? You gotta fuckin‘ problem?!“ oder „What did you just say you little...?!!“)  Das ist alles, woran ich mich erinnere, wahrscheinlich weil das, was im nächsten Moment geschah, mein Kurzzeitgedächtnis bis auf weiteres lahmgelegt hat:  Als der größere der beiden fast handgreiflich wurde, zog der andere eine Pistole hervor, fuchtelte damit kurz in der Luft herum (zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nicht begriffen, dass es eine echte sein könnte – es war ja schließlich Halloween!!!) und schoss in die Luft. (Die Schussrichtung schien willkürlich.) In dem Moment glaubte ich zu wissen, dass alle die draußen standen in wenigen Sekunden erschossen auf dem Apartmentvorbau liegen würden. Tell me about adrenaline. Ich war so geschockt, dass ich das Gefühl hatte, weder atmen noch mich bewegen zu können. (Und ich frage mich im Nachhinein, wie einige es schaffen in so einem Zustand noch ihre Blase zu entleeren!)  Dieser Mann schien so aggressiv und unberechenbar, dass es wirklich nicht fernlag vom Schlimmsten auszugehen. Keiner sagte ein Wort, alle waren wie festgefroren. Ich glaube Ches versuchte beruhigend auf den Bewaffneten einzureden, aber was auch immer in dem Moment gesagt wurde hörte ich nur wie durch Watte und konnte es nicht einordnen. Plötzlich sagte der andere „We’re all cool, we’re all cool“, was sich ein bisschen anfühlte, als würde  ich langsam aus einem Alptraum erwachen (der in Wirklichkeit nur wenige Sekunden andauerte).  Dann  gingen sie zügig die Treppe herunter, stiegen in ihr Auto und fuhren weg. Ich konnte immernoch nicht begreifen,was gerade passiert war, als Ches schon fragte, wo zur Hölle seine Zigaretten seien – „Could someone please give me my cigarettes...cuz my balls are gone right now!“ und dabei auch schonwieder halbwegs lachen konnte. Als sich alle einigermaßen beruhigt hatten, haben wir die Inside-Partygäste und die Gastgeberin darüber informiert, was für ein Horrorszenario sich soeben vor der Tür, hinter welcher sie bis jetzt gefeiert hatten, abgespielt hat. Als die Polizei kam, wurden die wenigen Gäste, die draußen standen,einzeln befragt, während sich auf dem Parkplatz eine ca. zehnkopf große Gruppe von Polizisten zusammenfand und nach irgendetwas suchte, was sie schließlich und logischerweise auf dem Apartmentvorbau fanden:  die Hülle der Kugel (die ja bekanntlich nicht mit abgefeuert wird, sondern die heimlich, still und leise auf der anderen Seite des Gewehrs herausfällt).  Es handelte sich um eine 22er.  Ja, achneee! Das hätte ich denen auch gleich sagen können, weiß doch jeder wie ne 22er aussieht!  Dafür hätten’se jetzt nicht so lange rumsuchen müssen...  :-)
Die Party war dann natürlich zu Ende, ich AM Ende, dennoch froh, am Leben zu sein und natüüüürlich ein besserer Mensch. And the Moral of the Geschicht:  Do not attend a private party in the subs if you don’t know the hood you’re getting yourself into.
Ob die beiden gefasst wurden, versuche ich gerade noch herauszubekommen, aber die Chancen stehen nicht schlecht, da wir wussten aus welcher Wohnung sie kamen und  das Fahrzeug beschreiben konnten. Ich fürchte allerdings, um die Gastgeberin dürfte man sich vermutlich Sorgen machen, falls man die beiden festgenommen hat. Angeblich gibt es für diese Straftat, also eine Pistole unter Menschen abzufeuern (wenn auch ohne Verletzte) schon zehn Jahre Gefängnis. Schwer zu glauben, aber so lautet hier das Gesetz. Wie streng es in der Praxis umgesetzt wird, ist wahrscheinlich eine andere Geschichte.  Ich muss mich jetzt noch ein bisschen von diesem Erlebnis und einem schweren Arbeitstag erholen, d.h. I-Pod mit meinem Gehirn vernetzen und langsam ins Koma fallen. Gute Nacht (M)ari.

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